Heinrich von Kleist

ÜBER DAS MARIONETTENTHEATER

Puppenspiel und Tanztheater für Erwachsene

 

1993 erste Spielserie, Neuaufnahme von 1995 - 2000 auf Gastspiele

"Kann ich Sie glauben machen, dass in einem mechanischen Gliedermann mehr Anmut enthalten sein kann, als in dem Bau des menschlichen Körpers?"

 Giovanni Coralli, ehemals berühmter Tänzer und Choreograph an der Oper zu Mailand, erinnert sich im Verlaufe seines Frühstücks an ein Gespräch, das er "mit einem Herrn von Kleist" unlängst geführt habe.

Gesprächsthema war dabei die Anmut, die Grazie, von der Herr C. behauptete, daß sie gerade bei denjenigen Wesen am reinsten erscheine, die nur wenig oder gar kein Bewußtsein besitzen.  Rund um seine Betrachtungen und Erzählungen spinnt sich die Handlung: Eine Tänzerin erzählt uns von der durch einen Blick in den Spiegel verlorenen Unschuld. In einer späteren Szene verdeutlicht sie die Dynamik  sich selbstständig machender Glieder, nachdem der Schwerpunkt ihrer Bewegung und damit die "Seele des Tänzers" -  "in die Wirbeln des Kreuzes" oder  gar "in den Ellbogen" verrutscht war. Ein "Marionettentheater, wie es auf dem Markte zusammengezimmert wurde, und den Pöbel durch kleine dramatische Burlesken belustigte" war der eigentliche Anlaß zu Corallis Spekulationen. Die zwingende Mechanik der Puppen fasziniert ihn, er sieht in ihren Bewegungen die grundlegenden Gesetze der Geometrie manifestiert - geometrische Figuren und schwarzes Theater interpretieren diese Gesetze ebenso verspielt, wie die Tänzerin die Auswirkungen dieser Gesetze auf lebende Körper uns dramatisch vor Augen führt. 

Der Mensch, so Corallis These, wird gerade durch sein Bewußtsein, das ihm erlaubt, sich selbst zu beobachten, immer nur noch unbeholfener und plumper. Das Tier hingegen, das sich einfach bewegt, ohne nachzudenken, komme der Grazie schon näher. Die wahre Ästhetik aber erreicht nur derjenige, der völlig frei von Bewußtsein ist: Die Marionette, deren "Glieder nichts als Pendel sind".
Die Konfrontation kann nicht ausbleiben: Tänzerin und Marionette werden sich schließlich gegenüber stehen, in ihren tänzerischen Ausdrucks- und Bewegungsmöglichkeiten messen und dem Zuseher das endgültige Urteil überlassen.

Konzept, Puppenbau und Regie: Karin Schäfer

Das Team der Neuaufnahme von 1995:

Puppenspiel: Karin Schäfer, Christine Wörl -Tanzchoreographie: Doris Schäfer - Tanz: Kerstin Kussmaul oder Doris Schäfer -Kontrabass: Andrew W. Brown - Sprecher: Ludwig Wüst - Licht: Emre Tuncer - Technik und Organisation: Peter Hauptmann

Das Team der ersten Spielreihe im Theater Spielraum 1993, Wien

Puppenspiel: Karin Schäfer, Claudia Ehgartner - Tanz: Monica Stach - Accordeon: Peter Scheibenreif - Licht: Klaus Schäfer